Voute. Freie Gegend. Im Hintergrunde das Meer…
Galerie Nicola von Senger, Zürich, 2011

Galerie Nicola von Senger freut sich, die erste Einzelausstellung des Künstlers Drago Persic in der Schweiz zu präsentieren. Der in Bosnien geborene und in Österreich aufgewachsene Künstler beschäftigt sich in seinem Werk mit Malerei und Film, dabei spielen fotografische Elemente und filmische Referenzen eine bedeutende Rolle. Die innerhalb einer Ausstellung gezeigten Werke können als Teil einer Geschichte gelesen werden, die von Persic nur angeschnitten, aber niemals aufgeklärt wird. Besonders seine Malerei, die sich an der Grenze zwischen Hyperrealem und Irrealem bewegt, bringt dies zum Ausdruck, indem sie Andeutungen in Form von freistehenden Objekten liefert, die inmitten einer monochromen Oberfläche plaziert sind.
Persic arbeitet mit inszenierten Fotografien als Bildvorlage. Von ihm produzierte Arrangements werden mithilfe einer künstlichen Lichtquelle ausgeleuchtet und mit der Kamera erfasst. Konventionelle Gegenstände, wie ein Vorhang, ein Tuch oder ein Stuhl, werden vom Künstler isoliert und damit aus ihrer regulären Funktion gelöst; ebenso wie die Protagonisten werden sie zu autonomen Portraits. Nur selten gibt es einen Hinweis auf einen räumlichen Zusammenhang, wie die Form des Parketts oder der Lampe. Oft fehlt dieser ganz und die freistehenden Objekte scheinen auf der gänzlich weiss oder schwarz gefärbten Leinwand zu schweben. Durch die fehlende Perspektive erhalten sie eine skulpturale Qualität.
Mit seinen Bildern führt Persic uns in eine ausschnitthafte Welt der Stille und Irritation. In ihrer extrem präzisen Ausführung und der auf die Grisaille-Malerei verweisende Schwarz-Weiss-Technik erinnern die Bilder an altmeisterliche Gemälde. Die minimale Farbpalette des Künstlers erklärt sich vor allem aus seiner persönlichen Faszination für Monochromie und deren Unergründlichkeit, sie ermöglicht ihm die Fokussierung auf Schatten und die Suche nach Form. Die verschiedenen Nuancen aus Grautönen entstehen dabei einzig durch die Kraft der Leinwand und der Stärke des Farbauftrags.
Auf den ersten Blick scheinen die Bilder in ihrer Einfachheit der Komposition leicht verständlich, doch dann erschliesst sich uns eine beachtenswerte Komplexität. Der zweite Blick lässt die Störungen erkennen, mit denen Persic die Objektivität der Fotografie in Frage stellt und relativiert.
Die geheimnisvolle Stimmung, gepaart mit einer eigenartigen Melancholie, die von den dargestellten Szenen ausgeht, wird nicht allein durch die Verwendung des Schwarz-Weiss-Prinzips hervorgerufen. Wie Fragmente eines Traums, die sich zurück in das Gedächtnis drängen, tauchen immer wieder identische Objekte in den Werken auf und wecken die Neugierde des Betrachters. Gleichzeitig verhindern beschnittene Blickwinkel ein eindeutiges Verstehen des Bildmotivs. Diese von Hitchcock zum Spannungsaufbau eingesetzten Montagemerkmale fliessen ebenso in Persics Arbeiten ein wie allgemeine Elemente des Genres Film.
Persic verschiebt in seinen Bildern Zeit und Raum, mit der Isolierung eines Objekts friert er den Moment ein und fesselt dadurch den Blick des Betrachters. Irritiert und gleichzeitig fasziniert von der rätselhaften Stimmung sucht dieser nach einer Lösung für die sich ihm scheinbar darbietende Erzählung und bleibt doch im Ungewissen. Der Künstler spielt mit unserem nahezu unbeirrbaren Glauben an die Authentizität des Dargestellten.


Gallery Nicola von Senger is pleased to present the first solo show in Switzerland of the artist Drago Persic. Bosnian born and Austrian raised, Persic’s work deals primarily with photographic elements and cinematic references. His paintings, existing at the border of the hyperreal and the unreal, express certain ambiguities, and only deliver indications in the form of empty objects placed in the midst of a monochrome surface. The pieces shown in his exhibitions can be read as parts of a story barely touched on by the artist and never fully explained.
Persic works with staged photographs as his master illustration. The arrangements produced are carefully illuminated with artificial light and captured with the camera; conventional objects, a curtain, a cloth or chair, are isolated by the artist and absolved from their regular functions. They become the protagonists in their own portraits just like the characters he draws. Rarely is there a hint of a spatial connection, as in the form of a lamp or section of parquet. Often this is completely absent and the freestanding objects seem to float on the canvas, which is coloured either black or white, a lack of perspective lending them a sculptural quality.
Through his pictures Persic leads us into a fragmentary world of silence and irritation. With his extremely precise implementation of black-and-white technique, referring to Grisaille painting, Persic’s works remind one of the paintings of the old masters. The minimal colour palette the artist uses is explained by his personal fascination with monochrome, its inscrutability, allowing him to focus on shade and to search for form. In the process the different nuances of the grey tones develop solely through the strength of the application of the paint. At first sight the pictures seem easy to understand in their simplicity of composition, however, a notable complexity is soon disclosed. The viewer’s closer inspection reveals disturbances with which Persic questions the objectivity of photography and relativises it.
The mysterious mood of the works, combined with a peculiar melancholy that emanates from the scenes, is not only caused by the use of black-and-white; like the fragments of a dream which remain in one’s memory, identical objects appear again and again in his works and awaken the curiosity of the viewer. At the same time, trimmed angles and perspectives avoid a clear understanding of the motive of the picture. Such characteristics of building tension in a scene, famously used by Hitchcock, along with other filmic elements of the suspense genre in general, flow through Persic’s work. Persic shifts time and space in his pictures, by isolating an object he freezes the moment and thus grabs the viewer’s attention. The artist plays with our nearly imperturbable faith in the authenticity of the shown; irritated and at the same time fascinated by the puzzling mood, we look for a solution to a story that seems apparently presented but, nevertheless, remains out of reach.

Judith Platte

Published 2011
Voute. Freie Gegend. Im Hintergrunde das Meer…
Galerie Nicola von Senger